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Angebot und Nachfrage

 

In Deutschland wird die Zahl der Personen, die der Prostitutionsausübung nachgehen, auf 100.000 bis 400.000, mitunter sogar bis hin zu 700.000, geschätzt. Belastbare Zahlen gibt es derzeit nicht. Dem gegenüber waren Ende 2020 nur rund 24.900 Prostituierte gemäß dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) bei Behörden angemeldet. Es ist davon auszugehen, dass weder die geschätzten Zahlen, noch die Zahl der tatsächlich erfolgten Anmeldungen die Realität widerspiegeln, vielmehr wird diese irgendwo dazwischen liegen.

Belastbarer sind die Zahlen, wenn es um das Geschlechterverhältnis geht: Etwa 93 Prozent der in der Prostitution tätigen Menschen sind weiblich, während die Personen, die Sex kaufen, fast ausschließlich männlich sind. Mit einem Jahresumsatz von rund 14,5 Milliarden Euro ist die deutsche Sexindustrie zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden.

Die UN Generalversammlung stellt heraus, dass ein Teil der globalen Nachfrage nach Prostitution durch Menschenhandel gedeckt wird. Dieses ist, wie polizeiliche Ermittlungen ergeben haben, nachweislich auch in Deutschland der Fall. Verschiedene internationale Stellen, die Menschenhandelsrichtlinie der EU sowie von Deutschland ratifizierte internationale Verträge fordern die Mitgliedsstaaten allesamt dazu auf, Schritte zur Eindämmung der Nachfrage zu unternehmen, um auf diese Weise Menschenhandel wirksamer zu verhüten und zu bekämpfen.

Lesenswert hierzu ist auch das von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) veröffentlichte Paper „Discouraging the demand that fosters trafficking for the purpose of sexual exploitation(10. Juni 2021).

 

Die gesellschaftliche Dimension

 

Die Situation schadet nicht nur den betroffenen Menschen, sondern hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. So ist aufgrund des großen Ausmaßes der Prostitution in Deutschland deren Einfluss auf das Männer- und Frauenbild nicht zu unterschätzen. Einerseits wird eine permanente Verfügbarkeit des weiblichen Körpers für den sexuellen Gebrauch suggeriert. Grundlage hierfür bildet meist ein herabwürdigendes Frauenbild, welches Frauen als Ware oder Sache versteht. Dieses Bild wird durch die Sexindustrie und Werbung verbreitet, ist aber auch in unzähligen menschenverachtenden Kommentaren und Rezensionen in sogenannten „Freierforen“ (siehe unten) wiederzufinden. Soziale Kompetenzen, die üblicherweise für den Aufbau einer Beziehung und einvernehmliche Sexualität notwendig sind, werden abgelöst durch – meist finanzielle – Mittel, mit denen ein Einverständnis zum Sex gekauft wird, das andernfalls oft nicht vorhanden wäre. Insbesondere wenn eine Person sexuelle Handlungen gegen Geld aus einer Notlage heraus anbietet, handelt es sich hierbei um “gekauften Konsens”. Einige Betroffene beschreiben dieses als eine wiederkehrende Überschreitung ihrer Grenzen gegen Geld.

Welche Auswirkungen die Tatsache, dass Männer Frauen für Sex kaufen können, auf die Gesellschaft hat, stellen Melissa Farley u.a. in ihrer Studie aus dem Jahr 2022 heraus:

Männer in Deutschland, die für Sex zahlen – und was sie uns über das Scheitern der legalen Prostitution beibringen: Ein Bericht über das Sexgewerbe in sechs Ländern aus der Perspektive der gesellschaftlich unsichtbaren Freier.

Die Website „Die unsichtbaren Männer“ sammelt Freierzitate, die deutlich machen, was Männer, die Sex kaufen, über Frauen denken.

Das Nordische Modell

 

Der Umgang mit Prostitution wird in Deutschland derzeit kontrovers diskutiert. Anlass dafür bietet u.a. die Umsetzung des sogenannten Gleichstellungsmodells (bzw. des Nordischen Modells) in immer mehr Ländern, zuletzt in Frankreich (2016), der Republik Irland (2017) und Israel (2020). Dieses zielt im Kern auf ein Verbot des Sexkaufs mit der Bestrafung von Freiern und anderen Nutznießern bei gleichzeitiger Entkriminalisierung von Menschen in der Prostitution ab. Gleichzeitig werden Menschen, die sich prostituieren, Ausstiegshilfen und Unterstützung angeboten, um ein Leben jenseits der Prostitution aufbauen zu können. Des weiteren wird dieser Ansatz durch umfangreiche Aufklärungs- und Bildungsmaßnahmen gestützt. Auch in Deutschland nehmen die Stimmen, die die Einführung des Gleichstellungsmodells fordern, zu.

Die VIER SÄULEN des Gleichstellungsmodells sind:

Sozialarbeiterische Angebote und Ausstiegshilfen

Entkriminalisierung von Menschen in der Prostitution

Aufklärung und Schulung

Kriminalisierung von Freiern und anderen Nutznießern der Prostitution

 

Unser Positionspapier

 

Gemeinsam gegen Menschenhandel e.V. setzt sich für das Nordische bzw. Gleichstellungs-Modell der Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland ein. Hier richtet sich der Blick auf die Nachfrageseite, anstatt auf die Betroffenen.